Blutlaus

Ordnung: Gleichflügler (Homoptera)
Familie: Blasenläuse (Pemphigidae)
Deutscher Name: Blutlaus
Wissenschaftlicher Name: Eriosoma lanigerum

Die Blutlaus ist bei uns nicht heimisch. Sie wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts von Nordamerika nach Mitteleuropa eingeschleppt. Seitdem ist sie bei uns ein häufig auftretender und weitverbreiteter Schädling im Apfelanbau. Desweiteren ist sie, wenn auch seltener, auf Birne, Quitte, Cotoneaster und weiteren Ziergehölzen zu finden.
Ruhige Bäume und das Vorhandensein einer intakten Nützlingsfauna sind beste Voraussetzungen, die Blutlauspopulation auf einem niedrigen Niveau zu halten. Im Bodenseegebiet konnte in den letzten Jahren eine Befallszunahme festgestellt werden. Grund hierfür ist sehr wahrscheinlich der Einsatz von breit wirksamen Insektiziden, welche gleichzeitig den natürlichen Gegenspieler, die Blutlauszehrwespe Aphelinus mali, miterfasst. Indirekt kommt es hierdurch zu einer Förderung der Blutläuse.
Der Name „Blutlaus“ geht auf den Umstand zurück, dass beim Zerreiben der Tiere eine rotorangebraune Flüssigkeit austritt, welche starke, an Blut erinnernde Flecken auf den Händen hinterlässt.

Biologie

Aussehen
Die Blutlaus gehört zur Familie der Blasenläuse (Pemphigidae). Deren Hinterleibsröhrchen (Siphonen) sind im Gegensatz zu denen der Röhrenläuse (Mehlige Apfelblattlaus, Grüne Apfellaus,...) nur porenartig ausgebildet.
Die adulten Tiere sind 2 mm lang und einheitlich dunkelviolett gefärbt. Ihr Körper ist undeutlich gegliedert und wirkt eher plump. Die Fühler sind äußerst kurz. Spezielle Drüsen sondern Stoffe ab, welche den Hinterleib mit einer wollig-weißen Schicht aus Wachshaaren überziehen. Die Tiere sind mehrheitlich flügellos. Nur im Sommer treten etwas kleinere und schlankere adulte Formen mit Flügeln auf.
Die Larven unterscheiden sich nur bezüglich ihrer geringeren Körpergröße von den ungeflügelten Erwachsenentieren. Auffallend ist ihr äußerst langer Saugrüssel.

Lebensweise
Die weiblichen Tiere überwintern im Larvenstadium als „nackte“ Laus, d. h. ohne Wachsausscheidungen auf dem Hinterleib. Geschützt an Schnittstellen der Äste, in Rindenritzen und zum Teil im oberen Wurzelbereich (> 25 cm) überdauern sie, meist in Gruppen, die kalte Jahreszeit. Ende März, wenn die Temperaturen über 7° C ansteigen, werden sie aktiv. Sie entwickeln sich zu ungeflügelten Adulten und beginnen mit der Neubesiedelung der Baumkrone. Diese erfolgt entweder aktiv durch Wanderung oder passiv durch den Wind. Die Vermehrung ab Ende April verläuft parthenogenetisch, das heißt ohne Zutun eines Männchens. Die Weibchen legen keine Eier sondern gebären lebend 100 und mehr Junglarven. Die neuen Kolonien sind meist im unteren Kronenbereich an Schnittstellen, Krebswunden, Stammrissen und Stockaustrieben zu finden. Ihr dichter, weisser Wachsflaum ist bereits von weitem sichtbar. Im Laufe der Vegetationsperiode werden in Abhängigkeit von der Witterung 8-12 Generationen gebildet. Der Befall dehnt sich dabei auf die äußeren Kronenbereiche aus. Jahrestriebe und Wasserschosser stark wüchsiger Bäume werden besonders gern besiedelt. Ab Ende Juni werden neben ungeflügelten Tieren auch zwei Typen geflügelter Blutläuse gebildet. Der erste Typus pflanzt sich weiterhin parthenogenetisch fort und verbreitet sich über Zuflug auf andere Wirtspflanzen. In Unterscheidung dazu gebärt der zweite Typus männliche und weibliche Tiere, wobei diese Weibchen Eier legen. Die daraus entstehenden Nachkommen sterben bei uns aufgrund des Fehlens der spezifischen Wirtspflanze „Amerikanische Ulme“ ab.
Nach einem natürlichen Populationsrückgang im Juli und August treten im September die Blutläuse wieder gehäufter auf. Hierfür sind sehr wahrscheinlich die hohen Temperaturen im Sommer und die veränderte Saftzusammensetzung in der Wirtspflanze verantwortlich.
In sehr strengen Wintern stirbt ein Großteil der Jungläuse ab. Lediglich die unterirdisch im Boden und an den Wurzeln überwinternden Tiere bleiben ohne Schaden.

Schadbild

Die Saugtätigkeit beschränkt sich auf verholzte Partien und weiche Triebe. Es werden nie Blätter angesaugt. Der Schaden erfolgt auf zweierlei Weise. Der Saftentzug führt zu verringertem Triebwachstum und Störungen bei der Holzreife. Dies erhöht die Frostempfindlichkeit der Bäume. Indirekt kommt es durch die Speichelabgabe während des Saugvorgangs zu einer vermehrten Zellbildung. Dies führt zu schwammigen, später krebsartigen, deutlich sichtbaren Wucherungen an Stamm, Ästen und Wurzel. Dieses Erscheinungsbild wird landläufig „Blutlauskrebs“ genannt. Brechen diese Gallen auf dienen sie als Eintrittspforten für phytopathogene Pilze, wie Gloeosporium oder Apfelkrebs. Bei älteren Bäumen hält sich der Schaden meist in Grenzen. Die Baumvitalität nimmt insgesamt ab.
Unangenehm sind die zum Teil stark verschmutzten Blätter und Früchte. Infolge der Honigtauausscheidungen der Läuse kommt es zu einer Ansiedelung von Rußtaupilzen auf den Pflanzenorganen.

Kontrolle

Anhand der Kontrolle des Parasitierungsgrades im Herbst lassen sich gute Rückschlüsse auf eine notwendige Behandlung im Frühjahr ableiten. Ansonsten lässt sich die Befallsgefahr im Frühjahr nur schwer abschätzen. Während der Winterruhe können Astprobenkontrollen auf überwinternde Larven durchgeführt werden. Visuelle Kontrollen im April und Mai geben zusätzlich Anhaltspunkte bezüglich der Befallsgefahr. Die wirtschaftliche Schadensschwelle liegt bei 8-10 Kolonien pro 100 Triebe bzw. 2 % befallener Bäume.

Vorbeugende Maßnahmen und natürliche Gegenspieler

An windgeschützten, luftfeuchten und warmen Stellen fühlen sich die Blutläuse besonders wohl. Befallsfördernd sind starkes Triebwachstum infolge überhöhter Stickstoffdüngung und ständig feucht gehaltene Böden. Je unruhiger der Baum desto stärker das Blutlausaufkommen. Ziele bei der Kulturführung sollten deshalb „ruhige“ und lichte, relativ rasch abtrocknende Bäume sein.
Günstige Besiedlungsbedingungen finden die Blutläuse an Schnittstellen und sonstigen Baumverletzungen, wie z. B. aufgeplatzte Rinde infolge Hagels. Das „Reißen“ ganzer Äste bei der Wuchsregulierung wirkt zudem befallsfördernd, da diese Wunden gerne besiedelt werden. Bei den Sorten gelten Cox-Orange und Goldparmäne als besonders anfällig. Im neueren Apfelsortiment stellte sich bislang keine Sorte als extrem anfällig gegenüber der Blutlaus heraus.

Blutläuse haben eine ganze Reihe natürlicher Gegenspieler. Neben Schwebfliegen- und Florfliegenlarven, Marienkäfern und Ohrwürmern ist dies vor allem die Blutlauszehrwespe. Während die erstgenannten „räuberisch“ tätig sind und die Blutläuse fressen, parasitiert die Blutlauszehrwespe ihren Wirt. Versuche zum Einbringen von bereits parasitierten Blutlauskolonien und adulten Zehrwespen aus speziellen Nützlingszuchten werden derzeit im biologischen Anbau durchgeführt.

Bekämpfung

Eine frühe Blattlausbekämpfung dezimiert einen Großteil der Blutläuse, vorausgesetzt diese sind bereits aktiv. Um eine gute Benetzung zu erreichen sollte eine Brühemenge von mindestens 1000 l/ha mit Zusatz eines Netzmittels ausgebracht werden. Bei der Bekämpfung sollten nur nützlingsschonende Präparate zum Einsatz kommen. Maßnahmen im Sommer sind wenig wirksam. Die Kolonien werden im Schutz der Laubwand nur unzureichend getroffen. Bei starkem Befall kann eine punktuelle Behandlung befallener Stellen mit der Spritzpistole (1500 l/ha) erfolgen. Eine Behandlung des gesamten Baumes ist nicht erforderlich. Die Spritzungen sind nicht immer erfolgreich. Die Läuse leben zum Teil versteckt in den Rindenritzen, ihr weißer watteähnlicher Überzug ist zudem wasserabweisend.
Eine garantiert wirkungsvolle, wenn auch sehr zeitaufwändige Alternative stellt das Abbürsten von Hand dar.